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Raus aus der Schlaflosigkeit! Rein ins eigene Leben

Es folgt ein etwas längerer und sehr persönlicher Text. Wenn du direkt zu meinen Schlaftipps willst, dann scrolle einfach zum Textende.

„Was? Du kannst nicht schlafen? Also ich schlafe immer wie ein Stein.“ Gott, wie ich diese Sätze nicht leiden kann, wenn ich wieder mal nur wenige Stunden und die nicht am Stück geschlafen habe. Genauso wenig, wie die Aussagen der „Schlaftiger-Fraktion“, dass man überall und immer und auf jeder Matratze bei jedem Lichtverhältnis und am besten mitten an der Autobahn überhaupt am besten schläft. Man könnte sogar regelrecht ausgeraubt werden und würde es nicht mal merken. Also letzteres schließe ich für mich aus. Eine bessere Alarmanlage als mich findest du in der ganzen Gegend nicht. Bereits beim kleinsten Knacken läuten schon die inneren Alarmglocken. Und Wecker in der Früh brauch ich auch keinen, das erledigt mein Frühaufsteher-Kind.

Was jetzt, echt Schlafprobleme?

Ja, wirklich wahr, das mit dem Schlafen läuft nicht so geschmeidig bei mir. Lange Zeit habe ich das so nicht gesehen oder vielleicht auch nicht wahrhaben wollen. Ist ja jetzt nicht unbedingt cool in einer Gesellschaft der immer Fitten, ständig Erreichbaren und Mehrfachbelastbaren, den Schlaf nicht auf die Reihe zu kriegen. Klar, gibt es von unserer Sorte ganz viele, wenn man sich die Zahlen ansieht. Macht trotzdem nicht mehr Spaß. Außer man gefällt sich in der Zombierolle: tagsüber deutlich verlangsamt, leicht ungeduldig und übel gelaunt. Das kann man schon kaschieren und mit Koffeinhaltigem kompensieren. „Wow, dass du wenig geschlafen hast, sieht man dir gar nicht an.“ Schlafzimmerblick soll ja bekanntlich sexy sein … Aber wer regelmäßig schlecht schläft, Probleme beim Ein- und oder Durchschlafen hat, viele Gedanken in der Nacht wälzt, unruhig schläft und sich tagsüber häufig abgeschlagen und müde fühlt, der hat ein waschechtes Schlafproblem.

Good news

Nun gleich die gute Nachricht vorweg. Ich kann immer besser mit meinen Schlafproblemen umgehen. Inzwischen habe ich phasenweise sogar tage- und wochenlang richtig gute Schlafzeiten und das Beste ist, die werden immer mehr! Das war schon ein gewisser Weg und vor allem jede Menge Loslassen: von falschen Erwartungen, der eigenen und der anderen. Und lernen neue Dinge zulassen zu können: insbesondere Gefühle und eigene Wünsche. Aber auch die unfassbar große Aufgabe Schwäche zu zu lassen. Mir kommt das sehr befreiend vor. Ich mag persönlich auch Menschen gerne, die Schwächen zugeben können. Sie nehmen häufig Druck raus.

Wie alles begann

Wann hat das bei mir alles begonnen und wie? Hmmm. Irgendwie hatte ich bereits als Kind oft schlecht geschlafen, hatte häufig Alpträume. Fantasiebegabt, sensibel und kopfstark konnte ich mir die schlimmsten Dinge vorstellen. Umweltkatastrophen, aber auch Monster unterm Bett: alles war möglich. In der Jugendzeit hat sich dann der Schlaf-Tag-Rhythmus stark geändert. Lange weggehen, liegen bleiben bis Mittag, dann Mittagessen (oder Frühstück – was eben da war) und am besten danach gleich noch mal für ein weiteres Stündchen ins Bett. Eine Zeit des Vielschlafs, trotzdem oft müde. Der hormonell sich verändernde Körper brauchte echt viel. Die Studienzeit war dann die Zeit meines „goldenen Schlafes“, wie ich ihn nenne. Das erste Mal so richtig unbeschwerte Freiheit: Lernen nach eigenem Rhythmus, Freund*innen, Bewegung, Weggehen.

Partymaus oder Schlafteeveranstaltung?

Daher dachte ich mit Anfang 20 selbstbewusst, Schlafprobleme treffen mich nie. Ich hielt diese maximal für ein Thema älterer oder eben depressiver Menschen. Klar, kannte ich bereits im Studium jüngere Leute, die alternierend Schlaftabletten und Aufputschmittel einwarfen, aber die hatten sich eben den klassischen Leistungsfächern verschrieben: Medizin, Jus und Wirtschaft. Ich selbst war davon zum Glück ausgenommen, musste aber irgendwann einsehen, dass ich eben nur bedingt eine Bis-in-die-Puppen-Partymaus bin. Einmal stand ich nach wieder mal längerem Weggehen, meinem unipolitischen Engagement und dem ganzen Tag für eine Prüfung lernen auf wackeligen Beinen unter der Dusche und merkte, dass mir das alles zu viel wird. Statt Long Island Ice Tea gab es nun immer öfter Schlaftee, dafür durfte da schon ein Löffel Honig mehr rein 😉

Durchwachte Nächte

Nach dem Zusammenziehen mit meiner Liebe, inzwischen sind wir verheiratet, und mit einer ungünstigen Berufskonstellation kam dann der schlechte Schlaf und die Müdigkeit zurück. Zunächst sanft, nach der Geburt unserer Kinder dann wild-fordernd. Zu viele Tagesthemen gingen bei mir häufig mit in die Nacht hinein. Und mit den Stillnächten war schließlich endgültig Schluss mit Durchschlafen. Mich wundert es noch immer, dass uns in der Baby- und Kleinkindzeit nicht mehr Unfälle und Missgeschicke passiert sind. Irgendwie funktioniert man dann wohl doch. Es geht ja auch um das Liebste/die Liebsten. (Habe ich schon gesagt, dass ich phasenweise für getrennte Schlafzimmer bin, aber das würde hier zu weit vom Thema wegführen …)

Raus aus dem Kreislauf

Tja, und irgendwann schlafen die Kinder dann durch und man selber immer noch nicht. So leicht lässt sich die antrainierte Verantwortung eben nicht abstellen. Und auch das pausierte Gedankenkarussell hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, wieder loszurattern. Hat der Körper wirklich ein Gedächtnis? So ein sturer Hund! Was hat mir schließlich geholfen? In meiner Panik habe ich viel ausprobiert: von Shiatsu über Eisenpräparate bis hin zum Kauf eines neuen Bettes. Irgendwie hat alles ein Stück weit geholfen, und am meisten wohl, dass ich mich auf den Weg gemacht habe. Dass ich mich vom Ohnmachtsgefühl löste und Schritt für Schritt mich von schlechten Angewohnheiten verabschiedete bzw. neue Rituale in mein Leben aufnahm. Und mein Selbstbild zurecht gerückt habe. Wer bin ich und was will i c h wirklich (und nicht der/die Arbeitgeber*in, nicht die Eltern oder welchen Erwartungen wir sonst noch so folgen)? Bye, bye Selbstmitleid! Tschüssi Einschlafangst. Hello Träumeland.

Step by step

Als einen ersten wichtigen Schritt habe ich eine belastende Stelle gekündigt, die ersten Nächte danach waren ein Traum, fast schon kitschig. Dennoch bitte das nicht als Empfehlung werten! Und ich gehe jetzt viel mehr spazieren. Nein, man muss nicht immer funktionieren! Gelebte Familienverantwortung, beruflicher Erfolg und persönliche Entwicklung gehen nicht so leicht zusammen. Da hilft auch alles feministische Wissen nichts. Und ja, man kann auch nicht alle gesellschaftlichen Missstände alleine ausbügeln. Inzwischen habe ich mir ein neues Betätigungsfeld aufgebaut, das aus einem Mix von Bloggen, ehrenamtlichen Einsatz für gesellschaftlich relevante Themen, persönlicher Weiterbildung und lebendig-verbundenem Familienleben aufbaut. Die 4-in-einem-Perspektive von Frigga Haug in Bestform, 4 Lebensbereiche vereinigen: Care-Arbeit, Erwerbsarbeit, Bildung und Politik – dazu ein andermal mehr, viel mehr!! Und so ist heute eine schlechte Nacht einfach nur das, was sie ist, eine schlechte Nacht. Nicht weniger und auch nicht mehr.

Was wahre Wunder wirkt – meine 10 Hilfen:

  1. Regelmäßige Bewegung. Klingt abgedroschen, stimmt für mich aber zu 100 Prozent. Z.B. regelmäßige Abendspaziergänge von ca. 45 bis 60 Minuten zum Durchlüften, Kopf frei kriegen und die Muskeln verwöhnen. Herrlich.
  2. Belastende Themen am Abend tunlichst meiden. D.h. möglichst nicht die Steuererklärung spätabends aufs Tapet bringen, sich mit dem Partner streiten oder neueste Coronazahlenhochrechnungen inhalieren.
  3. Nicht länger als 21 Uhr arbeiten. Idealerweise sind die Kinder auch bereits im Bett, um noch „kinderfreie“ Zeit zu haben. Zwischen letzter Bildschirmzeit und Schlaf am besten eine Stunde Zeit vergehen lassen.
  4. In dieser Zeit schöne Rituale pflegen wie ein Entspannungsbad nehmen oder ein feines Buch lesen oder auch sich für Gelungenes und Freudvolles am Tag bedanken. Das ist ein bisschen Übungssache, kann aber als wahrer Glücksbooster wirken.
  5. Obwohl ich aufregende Filme mag, zu spät am Abend gehen sie nicht. Am besten funktionieren vorhersehbare deutsche Komödien (zum Glück teile ich diese Leidenschaft mit meinem Mann) und gewaltarme Kriminalgeschichten sowie überschaubare Familiendramen. Ja nichts mit irgendeinem leidenden Kind. Das ist ein Schlafkiller.
  6. Für ein angenehmes und gutes Schlaf- und Raumklima sorgen. Ein altes Sprichwort besagt, wie man sich bettet, so liegt man. Und es hat auch mit Selbstfürsorge zu tun: ich bin es wert, gut zu mir zu sein, es mir fein zu machen.
  7. Überhaupt gnädig mit sich selbst sein. Manchmal ist die Hälfte von allem bereits genug. Insbesondere, wenn du wieder mal müde bist. Und sich annehmen können mit allen Ecken und Kanten und selbst ohne Vorzeige-Schlaf hilft auch. Damit setzt du zeitgleich auch ein gesellschaftliches Zeichen gegen den Leistungswahn.
  8. Zwischendurch mal alle Regeln brechen und einen drauf machen, verzeiht das System. Im Gegenteil, es belebt sogar. Zum Beispiel mit Freund*innen um die Häuser ziehen.
  9. Einige der genialsten Schriftsteller*innen und Wissenschaftler*innen hatten Schlafprobleme. Was also, wenn ich einfach nur genial bin und es noch nicht weiß? Dieser Gedanke rettet mir immer die Stimmung. Humor, auch über sich selbst lachen können, hilft überhaupt ganz wunderbar. Für den Anfang reicht schwarzer Humor.
  10. Das oben genannte ist natürlich kein Patentrezept. Du musst deinen persönlichen Weg finden. Aber ich bin mir sicher, das tust du. Ich glaube, du bist schon losgegangen…

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