Mit Kindern leben
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Wie viel Kind braucht die Mama?

In letzter Zeit erwischt es mich immer öfter, dass sich eine leise Trauer breitmacht. Tja, dein Kind, dein Erstgeborener ist schon so groß. Körperlich hat er sich noch mal verändert, größer, muskulöser und sehniger, ein anderer Gesichtsausdruck blitzt durch, aber auch von den Interessen und dem Bewegungsradius ist er längst nicht mehr nur mit uns unterwegs. Eine neue Selbstständigkeit hat ihn erfasst, die mich irgendwann wohl nur mehr als Backup braucht. Schluchz, buhuu.

Manchmal ist es bei den Kindern wie mit einem Kippbild. Mal lugt „das frühere Kind hervor“, ein paar Sekunden später schon das „neue, wieder gewachsene und älter gewordene“. Wie wird das erst in der Pubertät? Ich bin jetzt schon überfordert …

Das erste Mal gedämmert hat es mir schon, als er den Nachmittag statt „Programm mit Mama“ lieber spielend mit seinem Freund verbrachte. „Mama, passt das?“ Und noch mehr wurde es mir klar, als er aufhörte mich in der Öffentlichkeit an der Hand zu nehmen oder beim Verabschieden zu umarmen. Aber wirklich offiziell wurde es, als er begann sein „eigenes Ding zu drehen“. Sich selbst zu verabreden, mich nur mehr als Essensversorgung und Durchschleus-Kommunikation für seine Freunde-Dates und Hobbies zu verstehen. Gut, ganz so schlimm ist es noch nicht, zuhause werde ich schon noch megagebraucht und Kuschelzeit ist noch erlaubt, zumindest wenn ihm gerade danach ist und in der Dosis, die er bestimmt. Ich wusste, dass das kommt. Ich habe es herbeiersehnt. Und jetzt stehe ich hilflos da. Und stolz. Sieh ihm nach, wie er sich den Schulranzen in der Früh auf den Rücken schnallt und zur Straßenbahn losstartet.

Selbstständig. Er als eigenständiges Wesen. Und ich erinnere mich prompt, wie er sich das erste Mal hochgezogen hat und dabei über das ganze Gesicht gestrahlt hat. Damals. Dieses Glück.

Da flossen meine Tränen auch wie Bäche und ich bin wirklich nicht unbedingt die Gefühlsfrau. Aber diese Tränen kamen aus dem Innersten, wie ein Urbach, den ich bisher nicht kannte. Es waren Tränen der Mitfreude und auch der Trauer, beides gleichzeitig. Ich sagte zu meinem Mann tief schluchzend und verzweifelt: „Jetzt braucht er mich ja gar nicht mehr.“ Er meinte aufmunternd, „naja mit gut einem Jahr wird er mich wohl schon noch ein bisschen brauchen.“ Ja, schon. Aber ich sah auf einmal, wie in einer Zeitraffung all die kommenden Jahre voraus und wie ich Schritt für Schritt weniger dabei bin, weniger eingebunden bin und vielleicht irgendwann nicht einmal mehr verstehe „was abgeht“. „Oh Mann Mama, du kapierst auch gar nichts,“ höre ich jetzt schon an manchen Tagen.

Wehmut macht sich breit. Immer wieder, wenn wir Eltern werden.

In diesen Momenten neige ich dazu all die Tage und vor allem Nächte zu vergessen, in denen ich durchaus lauthals mein Muttersein verflucht habe, dieser Umstand, nie wirklich alleine zu sein, immer gebraucht zu werden…

Und auch unsere Kleine ist nicht mehr klein. Sie ist jetzt viereinhalb, wie sie immer wieder lauthals betont, als würde die Betonung des „einhalb“ sie schneller in eine Fünfjähirge verwandeln. Weil das wäre sie natürlich noch lieber. Nur stimmt jetzt auch die Größe überein. Kennt ihr das? Das Kind geht am Abend ins Bett und am nächsten Morgen tapt es zum Frühstück und es sieht gefühlt ein paar Zentimeter größer aus. Wer oder was hat unser Kind in der Nacht bitte gestreckt? Hat aus unserem Baby zunächst ein Kleinkind gemacht und will es nun zu einem Kind machen? Ja, ja, auch hier sehe ich es kommen. Diese Mama-Trauer-Mitfreude über das Größerwerden. Zumal sie, was Sprüche klopfen anbelangt, jetzt schon bei den Großen anzudocken versucht.

Lässt sie mir mehr Zeit oder auch nur so wenig?

Wir sind jetzt ein babyloser und im Grunde auch schon fast kleinkindloser Haushalt. Eindeutig. Mit all den Vorzügen. Vieles geht schneller. Manche Wege machen wir schon richtig zackig, hui da rollert die eine und schwupp da radelt der andere und beide drehen sich um und rufen uns zu: „Mama, du lahme Kröte, Papa, du Schnecke“ und hauen sich dabei ab.

Und ja, das Verständnis für andere Bedürfnisse als die eigenen wächst. Zumindest manchmal. Das ist echt praktisch. Und ja, wer hätte das gedacht sie wissen bereits so viel, sie checken sich schon so viel selbst und sie sind dabei so cool anzuschauen. Ich liebe das!

Und so genieße ich es einfach nur, dass ich teilhaben darf. Wer weiß noch wie lange …

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