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Sich neu verbinden in der Wackelzahnzeit

Wer hätte gedacht, dass ich in einem Online-Kurs zur Wackelzahnpubertät der 5- bis 10-Jährigen mehr über mich als über die wackelzahnigen Kinder erfahre. Na ja, ein bisschen hätte ich mir das schon denken können. Weil die Kurse, die Bindung und Beziehung ins Zentrum stellen – anstelle von Belohnen, Laissez-faire oder Strafen – meist viel „Selbstarbeit“, Veränderung der Perspektive auf das Kind, bedeuten. Das Verhalten des Kindes, selbst das aggressive, wird als ein Ausdruck eines dahinterliegenden Bedürfnisses sehen, das einer besonderen Hinwendung des begleitenden Erwachsenen bedarf. Der Erwachsene muss sich also bewegen. Echt intensiv. Und irgendwie auch alternativlos. Denn Kinder in der Vorschulzeit und Volksschule können ihre Gefühle zwar immer besser verstehen, aber noch nicht immer „lenken“, weil das meist alters- und entwicklungsbedingt gar nicht möglich ist. Es bedarf eine Form der einfühlsamen Gefühlsmoderation.

Das Schreikonzert und seine Beteiligten

Das ganze klingt schön in der Theorie, aber hallo, ruhig und unterstützend bleiben, wenn zum zigten Male das gleiche Konfliktthema mit meinem 7-Jährigen anschwillt? Ich bin zwar Mama, aber ich habe doch auch Gefühle. Zu hören, dass man mich „blöd“ findet und am liebsten in eine andere Familie umziehen will, ist jetzt nicht gerade ermutigend. Und diese meine Gefühle wollen sich doch auch Raum verschaffen, ja, und wenn sie das laut-tönend tun wollen und nicht nur verständnisvoll-nickend, dann ist das doch auch echt ne Wahrheit, meine ganz persönliche Bedürfniswahrheit!!
Kiran Deuretzbacher, die Kursleiterin der Online-Verbindungswoche zur Wackelzahnpubertät, würde mir da wohl auch nicht widersprechen, aber vermutlich die Frage aufbringen, ob ich in einem guten Kontakt mit mir selbst bin, meine Bedürfnisse kenne und sie wahre und mit meinem Gefühlshaushalt konstruktiv – nicht immer, aber immer öfter – umgehe? Das nennt sich in der Fachsprache übrigens Selbstregulation. Autsch. Erwischt.

Selbstregulation vor Co-Regulation. Das heißt zunächst meine (erwachsenen) Gefühle und Bedürfnisse ins Gleichgewicht bringen, dann erst kann ich dir helfen deine zu verstehen und zu begleiten.

Wenn ich gut für mich sorge, sorge ich gut für andere

Natürlich kenne ich das aus meinem täglichen Leben. Bin ich im Saft und habe Kraft, habe ich ausreichend geschlafen, einen abwechslungsreichen und interessanten Tag erlebt, ausreichend Pausen gemacht, vielleicht was Gutes gegessen oder ein feines Gespräch geführt, dann kann ich natürlich viel besser für mich und für andere da sein. Wenn ich mich schon zum Abholen der Kinder regelrecht hinschleppe und vielleicht noch ein unangenehmes Telefonat im Ohr habe, dann werde ich nicht nur meine gereizte Stimmung womöglich übertragen, sondern auch sehr viel ein-fältiger im Umgang mit Konflikten sein. Diese Einfältigkeit, die Automatismen im Verhalten, hat Jesper Juul sympathisch als „Elternautomaten“ bezeichnet. Der ist häufig an. Sobald mein Kind (wieder) bestimmte Sätze sagt, falle ich sofort in meine übliche Rolle und lass die bestens eingeübten Sätze los, die genau gar nichts bringen. Die im Grunde nur mich und mein Kind frustrieren.

Üben und Freude mehren

Wie können wir den Elternautomaten ab- und die Mama-in-Verbindung oder Papa-in-Verbidnung anschalten? Zwei entscheidende Übungen nehme ich von Kiran Deuretzbachers Online-Woche für mich mit.

Erste Übung: was macht mir und meinem Kind Freude? Was tun wir gemeinsam gern? Wie können wir Freude öfter gemeinsam teilen, anstatt in erster Linie der Kritik oder dem Geschimpfe Raum zu geben? Wie verändert dieser Perspektivenwechsel insgesamt unsere Beziehung?

Und zweite Übung: wie schaffe ich es gut für mich selbst zu sorgen? Meine Selbstregulationskräfte zu stärken? Wann und wie mache ich Pause? Welche Bedürfnisse habe ich wirklich und wie kann ich diese kurz- und mittelfristig gut befriedigen?

Wenn ich gut drauf bin, dann bin ich nämlich variantenreicher. Dann kann ich vielleicht mal was mit Humor nehmen, bin ich vielleicht schneller dabei, einen vorgefertigten Plan zu verlassen, wenn er so gar nicht aufgehen will und kann mehr wirklich ganz und gut bei meinem Gegenüber sein. Natürlich klappt das nicht immer. Aber immer öfter.

Verbindungsmomente entstehen lassen.

Ja, ich hab schon ein bisschen grübeln müssen, was meinem Wackelzahnkind aktuell wirklich Freude bereitet, so viel Freude, das man ihm die Begeisterung so richtig ansieht. Irgendwie ist man auch nicht mehr immer so nah dran. Die Kinder verbringen viel Zeit in der Schule. Auch Freizeit mit Freund*innen wird wichtiger. Außerdem ist man phasenweise so drin in diesen Streit- oder Machtkampfthemen, dass der positive Blick auf das eigene Kind richtiggehend schwerfällt. Obwohl man in erster Linie so voller Liebe für dieses Kind ist … Von der Kritik wegzukommen, kann richtiggehend befreiend sein. Klar ist das nicht so easycheasy und es gibt Rückschläge und manchmal ist man eben doch wieder die „blöde Mama, die schon wirklich gar nix versteht“. Aber allmählich kommt man näher ran und erlebt so wertvolle gemeinsame Momente der Innigkeit und Verbundenheit. Ganz unkitischig. Jetzt machen wir wieder öfter kleine lustige „Verfolgungsjagden“ durch die Wohnung. Das macht uns Spaß. Und ihr? Was bereitet euch gemeinsam viel Freude?

Bye, bye Kleinkindzeit – welcome Großer!

Mein Kind wird selbstständiger, noch selbstständiger als bereits schon. Ich darf und muss mich von meinem Kleinkind-Kind verabschieden, wie ich es schon vom Baby-Kind tat (ob erleichtert oder traurig). Ganz schön starker Tobak für mich als Mama. Zwar wird mein Kind vielleicht noch manchmal klein sein wollen und das darf er dann auch, sehr häufig aber wird er nun auch sein eigenes Ding drehen wollen, neuen Hobbys nachgehen und neue soziale Rollen ausprobieren. Und wir Eltern sind dann hoffentlich der sichere Hafen, die Verbindungsquelle für unser Kind.


Ich danke Kiran Deuretzbacher für ihre wertvollen Inputs im Rahmen der Online-Verbindungswoche. Kiran macht auch Podcasts, bietet Workshops und Einzelberatungen an.
Die Plattform StarkeKids zur Selbstbewusstseinsförderung von Kindern hat ebenfalls einen Beitrag mit Tipps zur Wackelzahnpubertät verfasst.

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