Mit Kindern leben, Schule und Corona
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Homeschooling für Anfänger

Was für ein Glück, dass ich nicht am ersten Tag des neuerlichen Voll-Lockdowns etwas zu Homeschooling geschrieben habe. Ich hätte mich vermutlich in Ergüssen, ob der Motivation meines Schülers ergeben, hätte geschrieben, wie cool und lässig ich nebenbei die Kantinenchefin gegeben habe und wie schön friedlich und feierlich doch alles war. Nun schaut die Sache schon ganz anders aus.

Hilfslehrerin und Kantinenchefin

Geht es euch auch so? Tag 3 des zweiten Voll-Lockdowns fühlte sich nämlich bereits an wie Woche 3 des ersten Lockdowns im Frühjahr. Uaaah! Übrigens es ist nicht so, dass unseren Schüler die Motivation inzwischen verlassen hätte. Im Gegenteil. Er will mehr und vor allem Dinge, die ich ihm nicht bieten kann: „Mama, warum kann der Papa kein Kind sein?“ Und dann die Rollenkonfusion meinerseits: Mama, Hilfslehrerin – immerhin Betreuungsschlüssel 1:1 Megaluxus, Spielpartnerin für die Jüngere, weiterhin Kantinenchefin, wurde noch nicht abgewählt (große Ehre) und ja, die Bezahlung ist in all diesen Rollen weiterhin mies. Im Grunde eine Katastrophe. Da hilft nur eins: Galgenhumor. Dachte ich nicht wirklich, aber wohl mein Unterbewusstsein. Denn das erste Spiel, das mir eigenständig zu Homeschooling einfiel und nicht in der Schulmappe vorgeschlagen war, heißt landläufig „Galgenbaum“ (auch Galgaroata oder Galgenmännchen).

Galgenbaum

Erinnert ihr euch an dieses Ratespiel? Einer der beiden Spieler überlegt sich ein Wort und zeichnet für die richtige Anzahl der Buchstaben entsprechende Felder sowie ein Galgengrundgerüst. Der oder die andere muss dann das Wort (buchstabenweise) erraten. Sagt er oder sie einen Buchstaben, der vorkommt, wird er an der richtigen Stelle im Wort eingefügt, sagt er oder sie einen „falschen“ wächst die Figur am Galgenbaum Strich um Strich. Baumelt die Figur, dann hast du verloren. Ansonsten gewonnen. Kann ich sehr empfehlen dieses Spiel. Schafft Verbundenheit, fördert Komplizenschaft und ist eine wohltuende Unterbrechung des Unterrichts. Das erste selbst gewählte Wort meines Sohnes lautete übrigens „Elfenfrau“. Made my day.

Schulerinnerungen

Wie pädagogisch wertvoll am Galgen hängende Figuren sind, weiß ich wiederum nicht, aber mental ist es ein sehr hilfreiches Spiel. Stressabbau der feinsten Sorte. Denn wenn man so unbeabsichtigt zur Heimlehrerin wird, ist man ja notgedrungen mit den eigenen Schulerfahrungen konfrontiert. Sie werden hochgespült, ob du willst oder nicht. Und wer damals schon Fluchttendenzen hatte, der wird sie wieder haben. Da sind wir Menschen offensichtlich ganz simpel gestrickt. Nur dass du eben nicht fliehen kannst, wenn du die Lehrperson bist. Denn wer unterrichtet dann noch das arme Kind? Also stürzen mein Mann und ich uns auf mitgelieferte Lernapps, studieren Wochenpläne und überlegen ein dazu passendes Freizeitprogramm. Beim Lernprozess eines Schulanfängers live dabei zu sein, das hat schon was Erhabenes.

Der Unterricht

Doch so sehr wir uns bemühen, die Mitschülerinnen und Mitschüler können wir einfach nicht ersetzen. Der Papa des Schulkinds eignet sich eben nur teilweise für einen 6-jährigen Spielkameraden und Sparringspartner und auch ich gebe nur eine leidliche Fußballspielerin für die große Pause ab. Da sind Verzweiflungsmomente vorprogrammiert. Obwohl, wie gesagt, am Schüler selbst liegt es nur bedingt, ich tippe eher auf die mangelnde Ausbildung von uns Hilfslehrer_innen oder den „Videokonferenzen-Overflow“ im Hintergrund. Bin noch unentschieden. Inzwischen basteln wir Adventkränze (Werkunterricht), lesen jede Menge Bücher (Leseunterricht) und gehen auf den Waldspielplatz (Sach- und Sozialunterricht). Wie von der Regierung angeordnet. Weil wir eben brave Bürgerinnen und Bürger sind. Unser Sohn schreibt drum neuerdings auch nicht Buchstaben, er absolviert Staatsdienst. Happy Home-(School)time!

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