So. Ich gebe es zu, ich bin langsam. Auch wenn das nicht hipp ist. Ich mache viel und ich mache auch vieles gut und ordentlich, ich bin mit Herz dabei und auch mit Verstand, wenn ich was tue, aber ich bin eben nicht unbedingt schnell dabei. Ich brauche meine Zeit. Zumindest kommt mir das so vor, wenn ich zusehe, was andere noch so in ihren Tag reinpacken. Also mein Tag hat ein Ablaufdatum. Gegen Ende wird der immer kaugummiartiger und gibt sich ab einem gewissen Zeitpunkt sogar ganz auf.
Okay, noch schnell eine Wäsche reinschmeißen oder den Kindern die Zähne putzen ist drin, aber dann noch großartig was Neues vom Stapel reißen, Fehlanzeige.
Der fiese innere Rhythmus
Im Sommer ist das besser, weil da sind die Tage länger, die Helligkeit bleibt und somit auch der Aktivitätslevel, aber im Winter oder im Übergang zum Frühling, keine Chance. Immer wenn ich über einen längeren Zeitraum gegen diesen inneren Rhythmus – gibt es so was? – angekämpft hatte und im wahrsten Sinne des Wortes dagegen gearbeitet habe, ging das meist nach hinten los. Im schlechtesten Falle endete es in eine Virusinfektion oder in Chaos. Zumindest bilde ich mir das ein.
Bin ich nun weniger stabil oder nur mehr an mir dran?
Das frag ich mich immerhin, seit ich Kinder habe. Weil die kennen das meines Erachtens auch, dass Dinge Zeit brauchen. Lernen braucht Zeit und sich einer Sache voll und ganz widmen braucht Zeit und vielleicht sogar noch das Ergebnis genießen und vorzeigen (das unbedingt auch!), braucht auch noch Zeit.
Die kleinen Erfolge sind die großen
Da ist nichts mit schnell-schnell. Einerseits ziehen die Kids ab wie eine Rakete, lernen binnen kürzester Zeit Fähigkeiten und Fertigkeiten, da reichen fünf Wifi-Kurse bei uns Großen nicht aus. Und andererseits widmen sie sich den einzelnen Lernfeldern so richtig intensiv. Da wird manches in Dauerschleife wieder und wieder geübt. Schnuppe, was rundherum passiert. „Nein, ich will meine Schuhe s e l b e r anziehen.“ Das ist insbesondere dann umso wichtiger, wenn du schnell zur Tür rauswillst. Aber Autonomieschritte kommen sowieso fast immer ungelegen. Kennst du das? Wobei schon einmal an der Tür zu sein, an manchen Tagen ein echter Eltern-Erfolg ist. Findest du nicht auch? Ich denke mir dann oft, egal, was jetzt noch schiefgehen kann, die Ausgangslage passt.
Der Blick auf das Wesentliche
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen,“ schreibt Astrid Lindgren in einem gern zitierten Satz. Genau das passiert, wenn man mit einem „kleinen Stöpsel“ spazieren geht. „Schau, Mama. Was ist das? Ist das ein Käfer? Ist der tot?“ „Ah schau Liebes, da vorne kommt der Bus!“ „Mama, der Käfer. Ist der tot?“ „Wir sollten auf den Bus.“ „Er bewegt sich nämlich gar nicht mehr.“ Da einfach weitergehen oder zum Bus sprinten zu wollen, ist, sagen wir es mal so, zumindest problematisch.
Gut, Kinder haben eben auch weniger Erwachsenenverantwortung und das ist gut so. Sie müssen keiner Arbeitgeberin, keinem Arbeitgeber Rede und Antwort stehen und sie brauchen auch sich nicht vor der Mailbox unbeantworteter Nachrichten zu fürchten oder an die Kindergarten-Abholzeit zu denken.
Dann nehme ich eben den nächsten
Aber haben sie nicht trotzdem auch insgeheim ein wenig Recht? Huschen wir nicht manchmal an den Besonderheiten dieser Erde vorbei und verpassen dabei so einiges?
Spätestens jetzt im Frühling, wenn die Sonne raus kommt und all die wundervolle Natur zu neuem Leben erwacht? Sich da Zeit zu nehmen, bei der Busstation auf die Sonnenseite zu wechseln, die Augen zu schließen und das Gesicht Richtung Sonne zu strecken, das kann echt was. Ups, der Bus ist vorbeigefahren? Gar nicht bemerkt. Gut, nehme ich eben den nächsten …