In den Wald zu gehen ist immer eine gute Idee. Der Wald erdet, der Wald klärt, der Wald belebt. Der Wald hilft angeblich beim Gesundwerden und Gesundbleiben. Nicht erst seit wissenschaftlich dazu geforscht und „Waldbaden“ empfohlen wird.
Aber was tun im Wald? Einem bestimmten Wanderweg folgen oder planlos drauf los stiefeln? Oder an einem schönen Baumplatz meditieren oder gar Bäume umarmen? Das ist wohl Typensache.
Mit Kindern ist es jedoch empfehlenswert, sich kleine Projekte vorzunehmen. „Kommt, lasst uns Dinosaurierzähne ausgraben“, oder „wir wollen einen Baumpalast suchen,“ klingt einfach reizvoller als „Kommt, wir gehen in den Wald spazieren“. Auch nach Naturschätzen wie Blättern und Samen zu suchen, um damit zu basteln oder eine Naturausstellung zu gestalten, lieben fast alle Kinder.
Wer in der Hinsicht eher ideenlos ist oder/und nach neuen Projekten für eine bessere Naturverbindung sucht, der findet eine Reihe guter und geschmackvoll gestalteter Bücher. Ich präsentiere ein paar unserer Favoriten. Auch ein illustriertes Kindersachbuch zu Bäumen reiht sich wunderbar ein.
Wildnis und Naturerfahrung für Kinder
An Naomi Walmsley und Dan Westalls Buch „Wald. Dein größtes Abenteuer“ kommt wohl kaum jemand vorbei, der sich mit den Grundzügen von Bushcraft, das sind Techniken und Fertigkeiten, um sich in der Natur zurecht zu finden, auseinandersetzen möchte: Schnitzen, Feuer machen, Unterstände bauen uvm.
Die von tiefem Respekt geleitete Naturverbindung ist für die beiden in England lebenden Autor*innen und Wildnispädagog*innen die Grundlage ihres Wirkens. Das Buch selbst ist konzentrierte Essenz ihrer jahrelangen Erfahrung in der Wildnis und ihrer Begeisterung in der Begleitung von Kinder- und Jugendgruppen.
Und sie beweisen Humor. Das zeigt sich insbesondere in den immer wieder eingeflochtenen Erzählungen über sich selbst und erlebte Abenteuer:
„Als Kinder kamen wir oft spät nach Hause, noch dazu von oben bis unten dreckig vom vielen Budenbauen, Bäumeklettern und Höhlenerkunden. Und wir kommen immer noch spät nach Hause, sind von oben bis unten schmutzverkrustet, wenn wir eine Zeitlang in unserem Wald zugebracht haben.“
Das erste Buchkapitel startet mit Naturwahrnehmung und Naturbasteleien, geht über zum Erlernen umfangreicher praktischer Fertigkeiten im Wald, um dann noch ein Kapitel zu Wildnisküche und ein letztes zu Gruppenspielen in der Natur zu liefern. Das Buch ist somit sehr breit gefächert und durch die Schritt-für-Schritt-Anleitungen, die praxisnahen Beschreibungen inklusive Altersangabe und die bilderreiche Gestaltung leicht verständlich. Am Ende weiß man, wie man ein Feuer (gefahrlos) entzündet und verschiedene Dinge schnitzt, aber vermutlich auch mehr über Natur im Allgemeinen und sich selbst.
„Es ist unser dringliches Anliegen, durch den Erwerb von Fertigkeiten sowie durch Spiel und Spaß eine Verbindung zwischen Menschen und ihrer Umwelt herzustellen.“
Das Buch lehrt Demut und Liebe zur Natur. Dabei kommt es erstaunlicherweise ganz ohne konkrete Weltanschauung oder Esoterik aus.
Schon beim Lesen hat man Lust, sofort aufzubrechen, ein Wurfgeschoss zu basteln, einen Unterstand zu bauen oder „Wilde Gerichte“ auf dem selbst gebauten Feuer zuzubereiten. Du lernst mit Naomi und Dan Natur fühlen, hören und mit ihr zu werken. Das Buch ist eine wahre Fundgrube sowohl für den Privatgebrauch als auch für die Begleitung von Kindergruppen in Alter von 3 bis ca. 10 Jahren. Wenn du nur ein Buch zum Thema „Wald und Naturverbindung“ besorgen willst, dann dieses. „Wald“ ist im Heel Verlag erschienen.
Pflanzenwissen und Handwerk
Doris Fischer ist die Autorin von „Flechten, Färben, Schnitzen. Werken und Bushcraft mit Pflanzen aus Wald und Wiese“ und ihr Fokus ist ein gänzlich anderer. Als Grabungstechnikerin hat sie altes Handwerks- und Pflanzenwissen studiert. Was Menschen früher (und zum Teil heute noch) mithilfe von Ästen, Gräsern und Baumessenzen Nützliches und Dekoratives herstellen, interessiert sie und möchte sie weitergeben.
Ihr Buch ist in zwei Hauptteile gegliedert. Im ersten Teil geht es um „Sträucher und Bäume“, im zweiten um „Gräser und Kräuter“. Es ist also mehr ein Wald- UND Wiesen-Buch und eignet sich daher auch für weniger baumreiche Gegenden! Von A wie Ahorn bis W wie Weide und von B wie Binse bis W wie Wiesenkerbel finden sich eine Fülle an in Nordeuropa üblichen Alltagspflanzen. Auf eine ausführliche Beschreibung der Pflanze, ihre Geschichte als Nutz- und Werkstoff im Laufe der Zeit folgen zahlreiche Bastel- und Rezeptvorschläge bis hin zu kleineren Ausflügen ins Brauchtum.
Insbesondere die schönen fotografischen Abbildungen, das beeindruckende Pflanzenwissen und die leichteren Projekte haben es mir angetan. Etwa eine Bucheckernkette oder ein Wurfspiel aus Weidenzweigen. Meinen Sohn faszinieren auf Anhieb das Wasserrad und der Strohstern. Ich habe mit diesem Buch tatsächlich auch viel Neues gelernt. Wusstet ihr, dass Sträucher auf Heckenhöhe auch Wald sein können, ein so genannter Niederwald? Dass man aus Birke eine Form von Birkenteer herstellen kann? Und dass man aus der Waldrebe Topfreiniger und Teppichklopfer hergestellt hatte bzw. heute noch selbst herstellen kann?
Zum Ahorn schreibt sie beispielsweise:
„Die Erkennungszeichen des Ahorns (Acer spp.) sind sein typisches handförmig gelapptes Blatt an einem langen Stiel und seine Probellerfrüchte. Die Silhouette des Ahornblattes ist von der kanadischen Flagge her geläufig. Bei uns sind Spitz- (Acer platanoides) und Bergahorn (Acer pseudoplatanus) die häufigsten Arten.“
Und zur Nutzung des Ahornbaums weiter:
„Das elastische helle Ahornholz eignet sich besonders zum Drechseln und Löffelschnitzen. Auch Blockflöten und Geigenböden macht man aus Ahorn. (…) Die Platten von Wirtshaus- oder Arbeitstischen bestanden [früher] meist aus Ahorn. Sie wurden nicht lackiert und vertrugen die tägliche Reinigung mit Scheuersand.“
Als Zielgruppe wird allgemein „die ganze Familie“ genannt. Das Buch setzt auf das gemeinsame Erarbeiten von Dingen, ist aber manchmal etwas zu voraussetzungsreich für Nicht-Handwerksgeschulte. Übersichtlichere Schritt-für-Schritt-Anleitungen wären insbesondere bei den komplexeren Projekten durchaus hilfreich gewesen. Häufig gibt es auch nur ein Symbolbild pro Anleitung und nicht immer vollständige Materialangaben. Praktisch sind dafür die Hinweise auf die Pflück- und Erntezeit des jeweils benötigten Pflanzenmaterials und die Vielfalt der Projekte.
Fischer lädt ein, sich ein paar der angeführten Projekte – und sei es nur als Inspiration für eigene – vorzunehmen oder einfach die Sträucher am Wegesrand einmal näher zu inspizieren. Mir gefällt dieser Zugang des „beiläufigen Naturlernens“, war ich doch selbst als Kind eine, die vom Pusteblumenpusten nicht genug kriegen konnte.
Dass die „Werkobjekte“ bei Nichtmehrnutzung rückstandsfrei entsorgt werden können, ist ein weiterer guter Hinweis. Ihre Konsumkritik im Vorwort hätte es nicht zusätzlich gebraucht. Dafür bin ich etwas vorsichtiger, was die positive Bewertung von Tradition und Brauchtum betrifft, haben diese ja doch auch einige Schattenseiten. Wenngleich Fischers Ziel, altes und zum Teil verlorengegangenes Wissen über Pflanzen und ihre handwerkliche Nutzung wieder zu beleben, ein durchaus lohnendes ist.
Das Buch ist besonders zu empfehlen, wer gerne mit den Kindern auf gemeinsame Pflanzen-Entdeckungsreise auch in der näheren Umgebung gehen und sein eigenes Baum- und Sträucherwissen aufmotzen will. Im AT Verlag erschienen.
Ein Bildersachbuch zum Wunder „Baum“
Und aus was besteht ein Wald für gewöhnlich? Genau, aus Bäumen! Und insbesondere die ganz großen und mächtigen Bäume haben es uns angetan. Da gibt es sogar wahre Baumriesen wie etwa den Küstenmammutbaum, der als höchster Baum der Welt 115,6 m hochgewachsen in Kalifornien zu bestaunen ist. Unfassbar, oder? Zur räumlichen Einordnung wird dieser Riesenbaum im Buch „Bäume“ neben andere sehr große Bäume, den Big Ben (96 m) und die Cheops-Pyramide (138,8 m) gestellt.
Wenn du ebenfalls eine gewisse Baumbegeisterung in dir fühlst, dann bist du mit dem von Piotr Socha und Wojciech Grajkowski herausgegebenen großbebilderten Sachband „Bäume“ goldrichtig.
Dem Biologen Grajkowski und dem Illustrator Socha ist ein witziges Buch mit wundervollen Illustrationen gelungen, das zudem wertvolle Hinweise zur Baumwelt liefert: wo Bäume wachsen, wie hoch sie werden, was alles ein Baum ist, von dem man es vielleicht nicht vermuten würde, welche Instrumente aus Baumholz hergestellt werden und selbst welche eigenwilligen Baumhäuser, in UFO-Form und als Vogelnest, es auf der Welt so gibt.
Auf übergroßen Seiten befindet sich stets am Seitenrand eine ca. 1/6-Seiten große informative Kolonne mit Bezug auf die daneben befindlichen Illustrationen.
Zum Thema „Tarnung“ von Baumbewohner*innen steht etwa:
„Der Wald kennt keine Moden, er hat keinen Sinn für neue Trends. Seit Jahrmillionen kleiden sich fast sämtliche Waldbewohner konsequent in Braun-, Grau- und Grüntöne.“
Gezeichnet sind als Tarnprofis sodann Stabschrecken, bestimmte Schmetterlingsarten, aber auch eine Eule und ein Gecko.
Alles kommt in der Auswahl und Darstellung leicht schrullig und doch stets informativ daher. Meine Kinder könnten dieses Buch stundenlang durchforsten. Und ich mag es auch, selbst wenn ich jedes Mal vor dem Problem stehe, dass ich eigentlich einen Baum fällen müsste, um ein neues Regal in Spezialmaßen für dieses unförmige Ding zu schreinern.
Dieses Buch ist für alle, die alles denkliche und unerdenkliche über Bäume wissen wollen und Humor schätzen. Für eine Neuauflage könnte man die Frauendarstellungen etwas mehren und die Darstellung der angeführten indigenen Bevölkerung etwas „abschwächen“. Dennoch uneingeschränkte Empfehlung.
„Bäume“ ist bereits durch die vielen ansprechenden großen Bilder auch für junge Kinder geeignet und selbst noch für Erwachsene informativ. Im Gerstenberg Verlag erschienen.
Ich danke an dieser Stelle Elisabeth Hutter vom waldnest.org, die mich auf den Geschmack brachte, Bücher zur Naturverbindung zu lesen.