Year: 2023

Ein Hoch auf die Freundschaft

Freundschaft heißt für mich bedingungsloses Aufgehobensein. Eine Frage stellen zu dürfen, ungeschützt. Zu wissen, da ist wer und will dafür nichts, außer vielleicht noch einen Moment länger mit dir zusammen sein. Freundschaft ist nämlich Verbundenheit und Vertrauen. Dabei kann die Ähnlichkeit im Vordergrund stehen, oft ist es eine gemeinsam geteilte Lebenslage. Aber auch Unterschiedlichkeit kann wichtig sein: „Wie siehst du das? So habe ich das noch nicht gesehen? Aha, das gibt es auch noch?? Krass …“ Freundschaft ist aber auch Glücksspenderin – na, mal Hand auf’s Herz? Wann hast du das letzte Mal so richtig herzhaft gelacht? Wer war da an deiner Seite??! Und Freundschaft ist Treue und Loyalität. So wie ein dicker großer Bernhardiner, nur schöner (sorry lieber Hund) und bunter. Freundschaft forever? Dabei ist Freundschaft nicht immer für die Ewigkeit gebaut. Es gibt auch Lebensabschnittsfreundschaften. Es kann dir sogar passieren, dass dir eine Freundschaft „aufgekündigt“ wird und das hat nichts mit Seifenopern zu tun. Das passiert im ganz normalen Leben. Das kann melodramatisch vonstatten gehen mit viel Tamtam und Schriftverkehr oder auch ganz …

Wie viel Kind braucht die Mama?

In letzter Zeit erwischt es mich immer öfter, dass sich eine leise Trauer breitmacht. Tja, dein Kind, dein Erstgeborener ist schon so groß. Körperlich hat er sich noch mal verändert, größer, muskulöser und sehniger, ein anderer Gesichtsausdruck blitzt durch, aber auch von den Interessen und dem Bewegungsradius ist er längst nicht mehr nur mit uns unterwegs. Eine neue Selbstständigkeit hat ihn erfasst, die mich irgendwann wohl nur mehr als Backup braucht. Schluchz, buhuu. Manchmal ist es bei den Kindern wie mit einem Kippbild. Mal lugt „das frühere Kind hervor“, ein paar Sekunden später schon das „neue, wieder gewachsene und älter gewordene“. Wie wird das erst in der Pubertät? Ich bin jetzt schon überfordert … Das erste Mal gedämmert hat es mir schon, als er den Nachmittag statt „Programm mit Mama“ lieber spielend mit seinem Freund verbrachte. „Mama, passt das?“ Und noch mehr wurde es mir klar, als er aufhörte mich in der Öffentlichkeit an der Hand zu nehmen oder beim Verabschieden zu umarmen. Aber wirklich offiziell wurde es, als er begann sein „eigenes Ding zu …

Die Wut, die bleibt oder Coronas lange Schatten

Lange habe ich mich nicht an ein „Coronabuch“ herangewagt. Zu nah dran am eigenen Leben, zu unlustig. Und wie so viele wollte auch ich mich zu Beginn der Coronapandemie in der Hoffnung wiegen, dass schon bald alles (wieder) gut wird. Und irgendwie kam dieser Punkt in den ersten eineinhalb Jahren so richtig nie: zunächst die ungreifbare Krankheit selbst, dann die Maßnahmen und schließlich all die Konflikte, die mit den Maßnahmen einhergingen, inklusive der psycho-sozialen Folgeerscheinungen, ganz zu schweigen von der selbstverständlichen Mehrfachbelastung von Familien und insbesondere der Frauen in den Familien. Der soziale Kitt wurde zum sozialen Druck und zur Überforderungsfalle für Frauen. Und genau hier setzt der Roman „Die Wut, die bleibt“ der 1983 in Hallein bei Salzburg geborenen Autorin Mareike Fallwickl an. Sie bringt es nüchtern auf den Punkt, wenn sie folgendes Gedankenexperiment schriftstellerisch umsetzt: was, wenn eine Frau und Mutter sich dieser Zumutung nicht mehr stellen will oder kann und einfach ernst macht? Wenn die dreifache Mutter Helene – so heißt sie im Roman – eines Tages unangekündigt vom gemeinsamen Abendessen aufsteht, …