Büchertipps, Frauenliteratur, Kinderbücher
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Hinter den Kulissen einer Buchhandlung. Mein Kurzzeit-Praktikum

Vorne im Verkaufsraum einer Buchhandlung stand ich schon oft. Bestaunte Buchrücken um Buchrücken und musste mein Geldbörserl fest an mich gedrückt halten. Denn was anderen mit Kleidung oder Sportartikeln passiert, geschieht mir in einer Regemäßigkeit mit Büchern. Ich werde unvernünftig. Ich kaufe mehr ein, als ich brauche und was das Allerschlimmste ist: ich bereue es nie!

„Darf ich hier ein freiwilliges Praktikum machen?“

Mit dieser Frage stand ich eines schönen Tages im April in der „Lainzer Grätzlbuchhandlung“ im 13. Bezirk vor Helena Prinz, der Inhaberin. Das kleine und feine Buchgeschäft ist bereits in dritter Generation in Frauenhand und bis obenauf und manchmal darüber hinaus mit Büchern und ausgewählten Papeteriewaren versehen. Neu erschienene Romane und Erzählungen, Bildbände zu Triest und Sachbücher sind hier zu finden. Und immer noch gibt es eine verborgene Schublade in dem einräumigen Geschäftslokal zu entdecken, aus der Anlasskarten oder Mitmachbücher für Kinder hervorgezaubert werden.

Eine Buchhandlung eröffnen?

Wie realistisch ist es, statt nur Bücher zu lesen und über diese zu schreiben, sie auch zu verkaufen? Geht das ohne Buchhandelslehre? Wie kann die Geschäftsidee auf breite Beine gestellt werden? Habe ich da ein irgendwie klares Bild oder sehe ich nur die Sonnenseiten? Daher das Praktikum. „Mit Kreativität hat die Arbeit weitaus weniger zu tun, als man gemeinhin denkt. Also wie man Bücher präsentiert zum Beispiel. Das schon auch. Aber was vielleicht überrascht, ist, dass es auch überraschend viel Muskelkraft bedarf. Bücherlieferungen sind oft schwer,“ erfahre ich gleich am ersten Tag.

Erfahrung punktet

Helena – ja wir duzen uns inzwischen – hat übrigens 12 Jahre Erfahrung im Buchhandel und ist seit einem Jahr Geschäftsführerin, One-person-for-quasi-all und Marketing-Fachfrau. Letzteres würde sie selbst vielleicht nicht so sehen, aber eben gerade darum ist sie wohl so gut darin. Als facebook-Abonenntin profitiere ich von den Postings zu Neuerscheinungen oder auch den inspirierenden Fotostrecken zu Büchertischen in Kooperation mit Schulen und Kindergärten der Umgebung. Dabei will ich nicht ihre Mitarbeiterin Sophie unterschlagen, die ihr dabei kräftig zur Hand geht und mit ihr über neueste Bücherinhalte debattiert.

Mission completed

Dass es in Hietzing eine Hörbücherei gibt, die Bücher für Menschen mit Sehschwäche „einspricht“, wusste ich bis zum Pratikum etwa nicht. Und auch nicht, wie aufwändig es geworden ist, innerhalb der unzähligen Verlage und Neuerscheinungen auszuwählen. Und dass es Vertreter*innen für Verlage gibt ist zwar irgendwie logisch, nur mir vor kurzem eben auch nicht bekannt. Dann gibt es noch Wareneingänge rechtzeitig zu buchen, Bestellungen für Kund*innen zeitnah zu erledigen und nicht zu vergessen die Buchhaltung. Oh lala, ganz schön viel. Zum Glück bleibt noch genügend Zeit für das Herzstück des (physischen) Buchhandels: die Beratung von Kund*innen. Helena etwa hat es im frischfröhlichen Bücherraten weit gebracht.

Ein ganz großes Dankeschön

Der Traum eines jeden bibliophilen Menschen, von einem Meer von Büchern umgeben zu sein, war mir im Praktikum vergönnt. Ich atmete den Duft der Bücher ein, na ja die Versandkisten riechen beim Öffnen schon überraschend krass nach in Plastik gegossenes Öl. Warum, weiß keine*r so genau. Aber immerhin wiederverwendbar.

Liebe Helena, vielen Dank. Ich habe viel gelernt. Ich weiß nun, dass Amazon nicht schneller ist als du und bestimmt auch nicht so charmant. Und das ist jetzt keine Geschlechterzuschreibung, sondern mehr das Wienerische Hofieren, weil vom Wienerischen verstehst du viel – ich sage nur „Austriaca“ als Literaturgattung.

Wir sehen uns in Kürze wieder. Ich bin Wiederholungstäterin und hab ja jetzt einen nigelnagelneuen Büchergutschein.;-)

Adresse: Grätzlbuchhandlung Lainz, Lainzerstraße 141, 1130 Wien


Das „Grätzl“ in Wien ist so etwas wie das Kiez in Nordeutschland oder etwa das „quartier“ in Frankreich. Deutlich kleiner als das Viertel, in dem man wohnt, aber hinsichtlich Zugehörigkeitsgefühl weitaus bedeutsamer.

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