Mit Kindern leben
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Lasst uns zuerst einmal ankommen

„Nicht schon wieder dieses Ankommen!“, stöhnt unser Sohn und verdreht die Augen. Ja, tatsächlich. Neben „Mir ist das zu laut“ und „Habt ihr schon die Zähne geputzt?“, sagen wir, „Lasst uns doch bitte erst einmal ankommen,“ verdächtig oft. Ein absoluter Lieblings-Langweilersatz von uns Eltern. Habt ihr auch ein paar Langweilersätze auf Lager, Fixstarter, die ihr immer wieder ins Rennen bringt, obwohl sie im Grunde rein gar nichts bringen, also nichts bewirken oder zumindest nicht das, was ihr euch erhofft?

Von welchem Ankommen reden wir überhaupt?

Das Ankommen unserer Kinder und das Ankommen von uns Eltern unterscheidet sich wesentlich. Unser Ankommen bedeutet meist kurz einmal Für-sich-Sein, Innehalten oder für etwas Übersicht und Ordnung sorgen, ihr Ankommen bedeutet meist gemeinsame Eltern-Kind-Zeit erleben, Gefühle sortieren oder sich austoben (weil in der Schule muss man ja doch oft sehr ruhig sein). Jetzt ist nur unschwer zu erkennen, dass hier ein gewisses Konfliktpotenzial verborgen liegt. Und dem dürfen wir jeden Tag aufs Neue mit unterschiedlichen Strategien begegnen. Oh du großartig spannendes Leben!

Zum Beispiel Wanderwochenende…

Wir hatten zum Wandern zwei Nächtigungen im Rax-Gebiet, einer Gebirgsgegend in Niederösterreich, gebucht, um etwas zu wandern. Während wir bei der Ankunft die Reisetasche ausgepackt, die Lebensmittel im Kühlschrank verstaut und die Appartement-Informationen durchgeblättert haben, sind unsere Kinder schon mindestens zehn Mal durch die gesamte Ferienwohnung geflitzt, haben zwei Mal entschieden und wieder umentschieden, wer wo schläft und uns mit Fragen bombardiert, die wir noch gar nicht beantworten konnten, weil – ihr ahnt es bereits – wir ja selbst erst im Ankommen begriffen waren. Nach exakt 10 Minuten meinten sie dann, sie wären jetzt bereit, ENDLICH (haha) nach draußen zu starten.

Nachhausekommen ist auch Ankommen

Im täglichen Trubel zwischen Arbeit, Schule und Kindergruppe kennen wir das auch. Wir beiden Langen ertappen uns nämlich dabei, überglücklich die Wohnungstüre aufzuschließen, „Endlich zuhause,“ und kurz einfach einmal nichts zu tun. Die beiden Kurzen hingegen sind meist unentschieden darüber, was nun stattfinden soll … Also jedenfalls nicht nichts. Aber Ideen haben sie auch nicht unbedingt so richtig. Der Umstieg von vollem Schultag und spannendem Kindergruppenalltag nach Hause ist oft gar nicht so leicht, da sind Konflikte vorprogrammiert und wir Eltern in der Moderation gefragt. Aber genau in dem Moment brauchen wir oft selbst erst eine Runde Selbst-Fürsorge. Wenn allerdings Kind 1 oder Kind 2 direkt neben dir steht und ungeduldig in die Kaffeetasse blickt, während du ein wenig im Handy Nachrichten scrollst oder das Mitteilungsheft durchgehst, dann ist das nur bedingt gemütlich.

Stöhnen gilt nicht, was dann?

Ich habe nach wir vor noch keine zündende Idee, wie diese unterschiedlichen Bedürfnisse zusammengebracht werden können. Wir (üben) uns noch. Also her mit euren Vorschlägen, sie sind herzlich willkommen! Folgende Varianten haben wir schon semi-erfolgreich ausprobiert …

Variante 1: „Ich kommuniziere mein Bedürfnis klarer.“

Das geht so. Wenn meine Kinder mein Bedürfnis nach Ruhe nicht respektieren, dann habe ich es vielleicht einfach nicht ausreichend gut kommuniziert. Das heißt, wenn wir uns über die mangelnde Aufnahmefähigkeit unserer Kinder ärgern, unseren Willen aber mit den immer selben Sätzen einfordern, dann stimmt vielleicht einfach etwas mit den Sätzen selbst nicht. In etwa das meint das Jesper Jule, wenn er vom „Elternautomaten“ spricht. Okay, konkret heißt das, statt zu sagen „Lasst uns zuerst ankommen.“ Gähn. Vielleicht eher so: „Hey Leute, mein Kopf ist voll mit Sachen aus der Arbeit und ich bin müde vom Einkauf. Damit es da drin wieder gut rattert und ich wieder neue Ideen für uns habe, brauche ich erst eine Tasse Kaffee und das dalli. Die trink ich jetzt allein im Zimmer und wenn ich wieder rauskomme, dann habe ich neue Energie und wir können gleich voll los legen.“ Am Anfang kommt es einem vor, wie Theater spielen, aber mit der Zeit gelingt das immer besser.

Variante 2: „Ich mache mein Bedürfnis zu ihrem Bedürfnis.“

Das geht so. Ich will Ruhe und kurzes Innehalten? Wie schaffe ich es, dass sie auch Ruhe und kurzes Innehalten wollen? Gut, manchmal sind sie für eine Runde Buch lesen bzw. anschauen, etwas zu malen oder für ein Puzzle zu begeistern. Wenn nicht, dann bin ich inzwischen Fan davon, sie eine halbstündige Kindersendung schauen zu lassen. In der Zeit kann ich regenerieren und bin danach wieder voll für sie da und für alles, was da so kommen mag. Mit einer gemeinsamen Jause in den Nachtmittag zu starten, ist häufig auch keine schlechte Idee. Dann trinken wir eben alle „Kaffee“ und essen Obst und Kuchen.

Variante 3: „Ich mache ihr Bedürfnis zu meinem Bedürfnis.“

Das geht so. Statt meinem ersten Impuls nach Ruhe und Rückzug nachzugehen, lasse ich mich auf ihren Vorschlag ein. Was, ihr wollt spielen? Ja, klar, was machen wir denn? Wenn sie selber keine konkrete Idee haben oder ich auf ihren Vorschlag keine Lust, dann ist einmal durch die Wohnung sprinten, eine kleine Kissenschlacht veranstalten oder tanzen und singen meist eine ganz gute Sache. Also Bewegung, den Körper spüren und schütteln, jedenfalls aus dem Kopf raus. Im besten Fall aktiviert es mich auch positiv und bringt mich auf neue Gedanken. Und ehrlich, außer der Tiefkühlware muss nichts sofort verstaut werden und die Jause schmeckt danach mindestens genauso gut, wenn nicht besser.

Kennt ihr das? Habt ihr diese Strategien auch schon ausprobiert? Wie fährt ihr damit? Noch andere auf Lager?

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