Nein, kein Witz. Es gibt Kinderbücher, die sind so komisch, da „zerkugelt“ es dich, wenn du sie liest. Wir besitzen ein paar solcher Lieblingsbücher. Die Geschichten darin, die ulkigen Illustrationen, bewusst gesetzter Nonsens sowie jede Menge Überraschungseffekte schenken das, wovon man nie genug bekommen kann: große gemeinsame Lachmomente!
Für diese Art von Büchern gibt es zudem (so gut wie) keine Altersgrenze, weder nach unten noch nach oben. Ich lese solche Bücher daher auch gerne mit altersgemischten Kindergruppen. Das eine Kind versteht einen Witz, das andere entdeckt ein überraschendes Element in den gezeichneten Bildern, wiederum ein anderes wird vom schelmisch-leuchtenden Gesicht der Vorleserin bzw. des Vorlesers zum Schmunzeln angesteckt.
Hahn in Not: Heiteres Roadmovie auf zwei und vier Beinen
Zur alljährlichen Eiersuche passt die tierische Geschichte „Hahn in Not“. Sie ist irgendwo zwischen Detektivgeschichte, Roadmovie – das Tempo nimmt rasant zu – und den Eigenheiten einer Dorfgemeinschaft angesiedelt. Misstrauisch-besserwisserisch und doch auch liebenswürdig hilfsbereit erweisen sich die Dorfbewohner*innen, in deren Zentrum ein völlig übermüdeter, arbeitsunfähiger Hahn steht. Klamaukartige Szenen und witzige Wortgefechte bestimmen das Buch.
„Dieser Schiller ist eine Zumutung“, schimpft Beppo. „Ich wette, es gibt keinen Bauernhof weit und breit, der so einen Penner als Hahn hat wie wir.“ „Na, nun mal langsam“, versucht Kuh Kuliwu den Hund zu beruhigen. „Vielleicht braucht Schiller einfach mal Urlaub.“ „Urlaub?“, empört sich Ziegenbock Graf Meckerbach. „So etwas hat es hier noch nie gegeben.“
Der Hahn, der nicht kräht
Zum Plot: Der Hund Beppo ist so gesehen der Dorfraudi und macht dem Hahn des Dorfes das Leben schnell zur Hölle, als der eine Zeit lang seinem Job als Weckrufer im Dorf nicht adäquat nachkommt. Als die Auseinandersetzung beinahe gefährlich endet, nach einer Hetzjagd bricht der Hahn erschöpft zusammen, kommen die Dorbewohner*innen und zu Sinnen und versuchen dem Hahn zu helfen. Wo kommt nur das eigentümliche schlafraubende Klopfen her, von dem der Hahn berichtet? Sie begeben sich auf Detektivsuche. Im Endeffekt stellt sich alles als ein Riesenmissverständnis raus und der mit dem größten Maul muss sich kleinlaut geben. Eine weitere Erkenntnis: Wenn es hart auf hart kommt, hält die Dorfgemeinschaft zusammen.
Heuhaufen-Hopsen und gutgemeinte Schlaftipps
Die witzig-tragische Konsequenz von Missverständnissen, mangelndem Einfühlungsvermögen und übereifriger Hilfsbereitschaft geben dem Buch den gewissen Drive. So wird aus einem Rennen, das zunächst als Verfolgungsjagd startet, schnell ein slapstickartiges rasantes Heuhaufengehopse.
In ebensolchem Tempo haben meine Familie und ich die unterschiedlichen Dorfcharaktere ins Herz geschlossen: etwa das warmherzige, leicht schreckhafte Schaf Pörinchen oder das sich auf alte Traditionen berufende Pferd Onkel Mokka („Wie schon mein Ururgroßvater zu sagen pflegte…“) sowie die dauerschnatternde Ente Frau Schnatterbeck, die etwa diesen hilfreichen Schlaftipp zum Besten gibt:
„Ich höre immer Radio zum Einschlafen“, sagt Frau Schnatterbeck wichtig. „Du könntest das Radio so laut machen, dass du das Klopfen nicht mehr hörst und dich von der Musik in den Schlaf singen lassen.“
Der leidgeprüfte Protagonist des Buches, unser Hahn in Not, ist aber auch ein wahrhaft bemitleidenswertes Kerlchen und wir seufzen erleichtert mit ihm auf, als er gegen Ende der Geschichte endlich seinen (Schlaf-)Frieden findet.
Vorurteile reloaded
Ich mag an diesem Buch, dass es reale Vorurteile auf witzige Weise bearbeitet. Die Geschichte nimmt immer mehr Fahrt auf und so wird die Hetzerei schließlich zur Hetz (= Spaß, Vergnügen, Belustigung …., lt. Duden). Eine Detektivgeschichte ist es schon auch, für mich aber noch mehr ein Roadmovie auf vier bzw. zwei Beinen.
Einzig, was mich stört, aber darüber will ich mal hinwegsehen, ist, dass die „wissenden“ Vorschläge und Problemlösungen (z.B. Onkel Mokka, Graf Mekkerbach) allesamt von der Seite der männlich skizzierten Tiere stammen, wohingegen die „weiblichen Tiere“ (z.B. Schaf Pörinchen, Frau Schnatterbeck) die leichtgläubigen und geschwätzigen Rollen inne haben. Immerhin sind die Wissenden häufig auch nur alt- und neunmalklug.😉
„Hahn in Not! Eine Bauernhofgeschichte ist 2019 im Esslinger Verlag erschienen. Erzählt von Christiane Wittenburg. Mit Bildern von Susanne Wechdorn. Aufgrund der Textmenge ab ca. 6 Jahren zu empfehlen.
Wie Hund und Katz? Das Geschwisterbuch „König Kater“
Wer kennt ihn nicht, den Geschwisterzank? Aus eigener leidgeprüfter Erfahrung oder als Beobachter*in filmreifer Szenen eigenwilliger Geschwisterliebe in Straßenbahn und Bus?
Häufig ist Geschwisterrivalität verursacht durch die unterschiedliche Bedürfnis- und Interessensstruktur der Kinder und (auch) den Umstand, die Liebe der Eltern (oder anderer Bezugspersonen) mit jemandem teilen zu müssen. Noch dazu mit jemanden, den man sich gar nicht wirklich ausgesucht hat. Okay, ganz so übel ist diese andere Person vielleicht gar nicht, aber da muss man auch erst mal draufkommen. Wie das gehen kann, zeigt das Buch „König Kater“ der Illustratorin und Kinderbuchautorin marta altés, das 2015 das erste Mal auf Deutsch erschienen ist (original im selben Jahr auf Englisch als „The King Cat“).
„Ich bin der König hier im Haus.“ (König Kater)
Eine königlich thronende und in ihrem Familienzusammenhang allein residierende Katze wird eines Tages in ihrer genüsslichen Ruhe von einem eigenartig schlabbernden Hund gestört, der auch noch begeisterte Aufmerksamkeit durch die vertrauten Menschen auslöst. Entnervt wünscht sie (oder er?) ihn weit fort. Als dies dann tatsächlich eintrifft, fühlt sich die neu gewonnene Ruhe aber gar nicht mehr so richtig gemütlich an. Hmmm. Ich sag jetzt mal nicht, wie’s ausgeht.;-)
Britisch-spanische Deutung von Geschwisterrivalität
Die Autorin muss wohl wissen, wovon sie spricht, denn sie widmet das Buch vorneweg ihrem Bruder Bernat.;-). Das Buch verfügt über einen ausgewiesen reichen Erfahrungsfundus zum Thema „Geschwisterkonflikte“ und setzt diesen mit viel Gespür und Witz um. Ich kenne manche Sätze im „O-Ton“ aus meiner eigenen Kindheit.
Übrigens ist das Buch nicht nur für (leidgeplagte) Geschwisterkinder und deren Eltern. In dem Buch steckt auch viel drin zum Thema Umgang mit Wut, Rollenhierarchie, Konfliktbewältigung, Wohlbefinden und Behaglichkeit, Nähe- und Liebesbedürfnisse …
Ein Lieblingsklassiker unserer Familie ist die Doppelseite, wo die Katze dem gutmütig-tölpelhaften Hund lauthals ein „Ich – will – dich – nicht (hier haben)“ ins Gesicht ruft und dieser dann überraschend unaufgeregt und schwanzwedelnd davon zieht. Ich glaube, wir haben da im Mitfühlen und Nachschreien dieser Worte, die Katze wechselt ihre Farbe hierbei von hellorange zu dunkelrot, schon so einiges an eigener Wut abgebaut. Ja, auch beim Schreien kommt man ins Lachen. Wunderbare Entdeckung.
Die fast schon comicartig anmutenden Zeichnungen sind super gelungen. Da kennt sich wer sowohl mit Katzen- und Hundeverhalten als auch mit menschlicher Wut richtig gut aus. Sei es etwa das schwarze flapsig gemalte Gewitterwölken über dem laut rufenden Katzenkopf, die Katzenperspektive (die Menschen kommen quasi nicht vor, nur als übergroße kraulende Hände) oder die coolen Details, wie etwa die sich über den gesamten Band verändernde „Familiengalerie“: allmählich bekommt der Hund auch seinen Platz!!
Das alles verdanken wir Marta Altés‘ zauberhaften Kunsthänden. Altés hat zunächst in Barcelona als Grafikerin gearbeitet und dann Kinderillustration in London studiert. Britisch-spanischer Humor kann was.;-)
König Kater. Text und Illustrationen. Marta Altés 2015. Aus dem Englischen von Pia Jüngert. Verlag magellan. (der mit dem lieben Walfisch)
Was nun, June? Nachbarschaft und Wasserspaß
Dass Wassertropfen von oben kommen, ist an sich noch nichts Ungewöhnliches. Wenn das geschieht, während June mit ihren Puppen und Kuscheltierfreund*innen bei einer Teerunde im Kinderzimmer sitzt, dann wohl schon.
„Es tropft!
Von oben von der Decke mitten hinein
in Junes Limonade.
Sie wird ganz wässrig und
das mag June nicht.
Oh weh!“
Doch June erweist sich als aufgewecktes Kind und lässt das Ungemach nicht so auf sich sitzen. „Was nun, June?“ fragt der Erzähler Rüdiger Bertram und lässt June die Nachbar*innen in den Stockwerken über ihr aufsuchen, um die Ursache herauszufinden.
Nass-fröhliche Kunst der Übertreibung
Ich mag, wie die Bilder immer voller und voller werden, und wie die Wassermasse von Etage zu Etage zunimmt. Auch der Fahrstuhl wird von Etage zu Etage bevölkerter. Denn alle Befragten wollen sogleich mit auf die Suche kommen.
Das Buch, das im Ravensburger Verlag erschienen ist, besticht durch die kauzigen Figuren und erfreut durch jede Menge Wortwitz und ungewöhnliche Situationen. Etwa bewirtschaftet im 4. Stock Doktor Chang-Hai inmitten strömenden Regens ein Reisfeld. (hmmm … ist die Namenswahl „Chang-Hai“ schon rassistisch oder noch künstlerisch-witziges Stilmittel?)
Der Autor Rüdiger Bertram und die Illustratorin Sophie Schmid zeigen uns als Protagonistin jedenfalls ein taffes und kluges Mädchen namens June, das die Hausgemeinschaft für sich gewinnen kann. Die Neugier der Leser*innen wächst von Seite zu Seite. Was sich wohl hinter der letzten Tür verbirgt?
Selbst als „die Quelle“ ausfindig gemacht ist, wissen alle bereits um ihr Glück und dem gemeinsamen Feiern steht nichts im Wege. In „Was nun, June?“ wird die Kunst der Übertreibung geboten, es finden sich viele liebevolle Details (etwa die ungewöhnlichen Haustiere) und jede Menge Überraschungen.
Und endlich mal ein Buch, das in der Kinderfantasie bleibt. Was, wenn die Wohnung von Wasser geflutet wird und das alles endet nicht beim Klempner* oder der Versicherung, sondern in einem Riesenplanschspaß?
„Was nun, June?“ ist bereits 2014 im Ravensburger Verlag erschienen.